Der radikale Wandel in seiner Denk- und Lebensweise veranlasste Ostad Elahi seine gewohnten Bahnen aufzugeben, den wunderschönen Garten seines Vaters zu verlassen und ein Leben inmitten der Gesellschaft zu wählen, um die Grundlagen für sein späteres Gedankengut, für eine neue Form der Spiritualität, zu legen. Er trat in den Staatsdienst ein und arbeitete für knapp 30 Jahre im Justizministerium, wo er schließlich den höchstmöglichen Rang im Rechtswesen erreichte. Als er beschlossen hatte, einen Regierungsposten anzunehmen, schnitt er sein langes Haar ab, Symbol für das Leben als Derwisch, und tauschte sein weißes Gewand gegen einen Anzug und eine Krawatte ein. Dieser Entschluss, der das Ergebnis eines langen Prozesses der Reflexion, der Reifung und der spirituellen Eingebungen war, hatte eine enorme symbolische und emotionale Tragweite.

1931

Sieht man sich Ostad Elahis Leben und seinen ‚Eintritt in die Gesellschaft‘ genauer an, so stellt man fest, dass sein Denken nach wie vor auf die spirituelle Dimension des Lebens gerichtet war – so wie er es auch in seiner Einsiedelei gehalten hatte. Auch von den materiellen Werten seines Umfelds ließ er sich nicht beeinflussen. Die spirituellen, ethischen und sozialen Verhaltensregeln setzte er mit Gewissenhaftigkeit um, wobei sein Verhalten in erster Linie von der Suche nach göttlicher Zufriedenheit und nicht von der Einhaltung von Konventionen geleitet war. Auf diese Weise gelang es ihm, die Prüfungen des Lebens zu meistern, ohne sich von Hindernissen und Drohungen – bedingt durch gewisse richterliche Urteile, die den Lokalgrößen ein Dorn im Auge waren – beeinflussen oder beeindrucken zu lassen. Es war gerade diese Integrität, die zur Folge hatte, dass er im Laufe seiner Karriere wiederholt vorzeitig auf andere Posten versetzt wurde.

Die in diesen Jahren gesammelten Erfahrungen bestärkten Ostad Elahi in seiner Überzeugung, dass die Spiritualität nicht wie bisher auf Askese und Zurückgezogenheit basieren und einer Elite vorbehalten sein sollte. Seine Entdeckungen der spirituellen Wahrheiten, die aus vielen Jahren der Askese und Kontemplation, der theologischen und philosophischen Forschung, aber vor allem aus seinem praktischen und rationalen Denken hervorgingen, ließen ihn den Inhalt seiner Mission erahnen: eine neue spirituelle Methode zu entwickeln, die für alle zugänglich ist, ohne Rücksicht auf Hautfarbe oder Geschlecht und unabhängig vom kulturellen Hintergrund; eine Spiritualität, die den Test der Zeit besteht und die jenseits religiöser oder ritueller Erwägungen einzig auf die Suche nach Wahrheit ausgerichtet ist.

Die Wahrheit besteht für den Menschen darin zu wissen, was er ist, woher er kommt, was seine Pflichten hier sind und wohin er geht. Wenn er diese Fragen zum Gegenstand seiner Suche gemacht, sie praktisch umgesetzt und verstanden hat, hat er die Wahrheit erreicht.

Für diese Suche nach Wahrheit hatte ihn schon sein Vater in den Zeiten der Klausur, die er als Kind und Jugendlicher verbracht hatte, empfänglich gemacht. Mit der Zeit kristallisierte sich diese Suche nach Wahrheit dadurch weiter heraus, dass Ostad Elahi herausfordernde Erfahrungen machte, zahlreiche heikle Situationen durchstand und viele Höhen und Tiefen durchlebte. Sein innovativer Ansatz ist einfach und schwierig zugleich: Einfach insofern, als der Suchende ein normales und aktives Leben in Gesellschaft führen kann; schwierig insofern, als er sich nicht negativ von ihr beeinflussen lassen darf. Nachdem Ostad Elahi diese Methode in all ihren Facetten praktiziert hatte, war er in der Lage, in seinen Werken einen detaillierten ‚Wegweiser‘ mit allen zugehörigen Kurven und Steigungen aufzuzeichnen.

Als er seine Stelle als Regierungsbeamter antrat, hatte er auf Zeichen verzichtet, die seinen spirituellen Rang offenlegen würden, so dass niemand – außer einigen seiner engen Freunde, die ihm von Herzen zugetan waren und ihn bedingungslos liebten und respektierten – annahm, dass er anders war als die Anderen. Die meisten kannten ihn als ehrlichen und rechtschaffenen Richter, als liebevollen und ehrbaren Familienvater, als erfahrenen Musiker, als würdevollen Menschen oder aufrichtigen und engen Freund. In Wahrheit verhüllte er seine spirituelle Dimension umso mehr, je mehr er sein inneres Wesen in Richtung der Vollkommenheit entfaltete. Daher gab es zu seinen Lebzeiten niemanden, der in ihm die volle Wirklichkeit seiner spirituellen Dimension erkennen konnte, abgesehen vielleicht von einigen seiner engsten Schüler.

Ostad Elahi betrachtete die gesamte Schöpfung als eine zusammenhängende Einheit, der auf der Grundlage von Wohlwollen und Gerechtigkeit Existenz verliehen wurde. Seine persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen führten ihn zu einer Philosophie mit universaler Ausrichtung, die unabhängig ist von bestimmten Glaubensüberzeugungen, Kultur, Abstammung oder Nationalität. Die Methoden, auf die diese Philosophie baut, sind zudem einfach und praktisch, so dass sie sich in das Leben der Menschen in aller Welt einfügen lassen.