Die Tanbur ist ein antikes Instrument, das im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Formen und Klänge angenommen hat. Der einfache Klang dieses Instruments, manchmal spröde, manchmal süß, hat etwas Immaterielles an sich, etwas Abstraktes und sogar Asketisches, das es für spirituelle Musik geradezu determiniert. Im Iran war die Tanbur eines jener Instrumente, die am Hof der Sassaniden gespielt wurden. Später dann wurde es von einigen kurdischen Religionsgemeinschaften als sakrales Instrument adaptiert und als Begleitung für Tänze und zeremonielle Gesänge eingesetzt.

Die Töne der Tanbur und anderer Instrumente
erinnern sie nicht an himmlische Klänge?

Trocken ist die Saite, das Holz, der Balg
Woher also kommt der Klang? Er ist des Freundes Nachhall.

Ist das Ohr der Seele erst erwacht, hört es im Klang dieser Instrumente Geheimnisse, die dem verborgen bleiben, der sich nur mit den Erscheinungen aufhält.

Ostad Elahi erlernte das Tanburspiel von frühester Kindheit an. In dem Umfeld, in dem er aufwuchs, vor allem in seiner Familie, gab es eine althergebrachte Tradition spiritueller Gesänge und Melodien, die vom Spiel der Tanbur begleitet wurden. Sein außergewöhnliches Talent erlaubte es ihm, schon als Kind das gesamte Repertoire dieser Melodien, aber auch das der Nachbarregionen zu verinnerlichen. Später erweiterte er die technischen Möglichkeiten und die Bandbreite des Instruments, indem er den bestehenden zwei Saiten eine dritte Saite hinzufügte. Außerdem führte er neue Spieltechniken ein, wie das Spiel mit allen fünf Fingern der rechten Hand, eine rollende Bewegung, die Schor (wörtlich Kaskade) genannt wird und heutzutage bei Tanburspielern gang und gäbe ist.

Angesichts der vielen Beiträge, die Ostad Elahi zur Entwicklung der Kunst der Tanbur geleistet hat, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass er ein Repertoire von über hundert kurzen und langen Stücken geschaffen hat. Betrachtet man zudem den Reichtum der Komposition, die tonale Struktur und die vielfältigen Ausschmückungen, so ist dieses Repertoire in keiner Weise vergleichbar mit den einfachen Melodien, die eigentlich am Ursprung dieser Musik standen. Ostad Elahi nutzte dieses alte und beschränkte Repertoire vielmehr als eine Grundlage für seine eigenen außergewöhnlichen Improvisationen und Kompositionen.

Durch all diese Innovationen hat Ostad Elahi eine alte musikalische Tradition wiederbelebt, ja sogar transzendiert, so dass die Tanbur heute ihren eigenen und besonderen Platz unter anderen klassischen Instrumenten einnimmt. Es ist daher wohl nicht vermessen, ihn als eigentlichen Retter dieser Kunst zu bezeichnen. Denn ihm ist es zu verdanken, dass eine jahrhundertealte vernachlässigte Tradition sich zu einer ‚gelehrten Musik‘ entwickelt hat.

Zu den Punkten, die bei Musikwissenschaftlern Bewunderung hervorrufen, sind Ostad Elahis Improvisationen auf der Tanbur zu nennen, die seine Musik unnachahmlich machen. Jede Improvisation ist wie ein neues Stück mit einer ihm eigenen Atmosphäre. Aus diesem Grund kann man diese Musik eigentlich nur durch einen ‚osmotischen‘ Austausch erlernen – ein Ausdruck, den Shahrokh Elahi, Sohn von Ostad Elahi und einziger Erbe seiner Musik, geprägt hat. Man versteht daher, dass alle jene, die sich an der Transkription seiner Musik versuchten, scheitern mussten.

Auch wenn dieser kurze Text es nicht erlaubt, die technische und spirituelle Dimension von Ostad Elahis Musik näher zu analysieren, so ist es doch hilfreich, auf einen Aspekt einzugehen, dem bisher wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde: Die Präludien oder Eingangsmotive, die zu Beginn jedes Stücks gespielt werden. In der musikalischen Tradition von Ostad Elahi ist es so, dass man mit einem Eingangsmotiv anfängt, das individuell auf den Moment und die jeweilige spirituelle Atmosphäre abgestimmt ist – es ist von daher niemals vorhersehbar. Diese Präludien spiegeln den spirituellen Zustand und die Stimmung des Augenblicks wider und werden sichtbar in der Sprache der Musik. Jedes dieser Motive ist ein Mysterium für sich, ähnlich der Buchstaben, die einigen Koransuren vorangestellt sind – als ob die Noten auf subtile und geheime Weise bestimmte Zustände versinnbildlichen. Diese Präludien zu entschlüsseln scheint eine Fähigkeit zu sein, die möglicherweise in direktem Zusammenhang steht mit dem Grad an Verständnis, das der Zuhörer für die Musik mitbringt.

Auch in Hinblick auf die rein handwerkliche Dimension (Virtuosität, Konzentration, Feinheit und Geschwindigkeit des Spiels) zeigt sich, dass Ostad Elahis Spielweise außergewöhnlich ist. Wie bei allen großen Musikern gibt es natürlich Geschichten und Anekdoten über ihn, die auf den ersten Blick unglaublich scheinen mögen. In den Werken Asar ol-Haqq (Spuren der Wahrheit) und L’Âme des Sons (Die Seele des Klangs) finden sich einige Beispiele, die es dem Leser ermöglichen, sich selbst ein Bild zu verschaffen.

Die strukturellen Neuerungen, die Ostad Elahi an der Tanbur vornahm, wurden so gut aufgenommen, dass sie heute allgemeiner Standard sind. So hatte die Tanbur ursprünglich nur zwei Saiten; Ostad Elahi hat eine dritte hinzugefügt, die die Hauptsaite verdoppelt. Heute hat die Tanbur nahezu immer drei Saiten, wiewohl nur wenige sich darüber klar sind, was der Ursprung dieser dritten Saite eigentlich ist. Ostad Elahi hat darüberhinaus die Ausmaße des Instruments näher bestimmt, die für ein optimales Klangerlebnis der Tanbur sorgen. So hat er etwa die Bünde am Hals der Tanbur und weitere Merkmale neugestaltet.

Ostad Elahi hat zudem eine neue Stimmung eingeführt, genannt Farangi, bei der die gedoppelten (höheren) Saiten im Verhältnis zur tieferen Saite im Sekundenintervall gestimmt werden. Diese neue Tonalität verleiht dem Instrument eine besondere Klangqualität, die für den Spieler ungeahnte Möglichkeiten birgt. An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass er ein weiteres Instrument erfand, die fünfsaitige Tanbur, die eine Kreuzung darstellt aus der persischen Setar und der Tanbur – sie erlaubt somit eine raffinierte Synthese aus persischer und kurdischer Musik. Eine der CDs mit Ostad Elahis Musik ist ausschließlich dem Spiel auf der fünfsaitigen Tanbur gewidmet („Cascade“).

Jenseits der künstlerischen und technischen Aspekte von Ostad Elahis Musik sind seit Kurzem auch die spirituellen Wirkungen Gegenstand von wissenschaftlichen Studien; dazu gehören auch Berichte jener Personen, die Ostad Elahi selbst spielen hörten. Diese Forschungen, die sich sowohl auf Erfahrungsberichte als auch auf Musikanalysen erstrecken, sind in dem Buch Die Seele des Klangs (L’Âme des Sons) von Jean During, Professor für Musikethnologie, zusammengefasst worden. Es ist zu wünschen, dass weitere Arbeiten in der Zukunft dazu beitragen werden, das Verständnis für die wahre Tiefe und Wirkung der Musik von Ostad Elahi zu fördern.