Ostad betrachtete die Musik als ein zutiefst spirituelles Phänomen und als ein Mittel, um eine Verbindung zwischen der Seele und der Quelle herzustellen.

Man sollte nicht nur die technische Dimension der Musik betrachten. Man muss vielmehr die wahren Klänge der Musik hören können. Sie sollte nicht Selbstzweck werden, sondern Mittel zur spirituellen Verbindung.

Neben ihrer technischen und ästhetischen Dimension, die sich durch Bemühungen und Ausdauer erschließen lassen, besitzt die Musik eine spirituelle Dimension, von der weitaus tiefere Wirkungen ausgehen. Ostad Elahi zufolge ist unter allen Faktoren, die die Wirkung der Musik auf die Seele ausmachen, der ausschlaggebende die Persönlichkeit des Künstlers. Wenn dieser versucht, Meisterschaft über sein Instrument zu erlangen, muss er sich gleichzeitig von den technischen Beschränkungen freimachen, um die Töne der ‚wahren Musik‘ einfangen und wiedergeben zu können.

Die Musik ist mit der Seele verbunden und die Seele mit Gott. Wenn man die Musik in ihrer spirituellen Dimension spielt, entsteht eine Verbindung mit der Quelle.

Ostad Elahis Musik hat eine einzigartige Struktur, die sich nicht einpassen lässt in das, was für gewöhnlich an Musikakademien gelehrt wird. Ähnlich wie die klassische persische Musik hat sie ihre Wurzeln in einer jahrtausendealten Tradition. Auf der Grundlage der sehr beschränkten, aber soliden musikalischen Basis der Ahl-e Haqq, kombiniert mit Elementen der antiken persischen Musik, schuf Ostad Elahi ein Musikgebäude, dessen Wurzeln nur erkennbar sind, wenn man ganz genau hinhört. Wäre die Musik der Ahl-e Haqq in ihrem bescheidenen und rudimentären Stadium verblieben, wäre sie zweifellos von der Entwicklung anderer Musikformen verdrängt worden.

Vielleicht ist es aus Dankbarkeit heraus, dass Ostad Elahi seine Musik auf dieser Tradition aufbaute. Möglicherweise bemerkte er aber auch in den einfachen Melodien eine Authentizität und Tiefe, die das Potential hatten, um darauf ein solch umfassendes Musikgebäude zu errichten? Wie dem auch sei, er transformierte und bereicherte diese Tradition in einem Ausmaß, dass seine Kompositionen keine Verbindung mehr zu haben scheinen zu ihren eigentlichen melodischen Ursprüngen. Es lässt sich daher weder sagen, dass die Musik von Ostad Elahi sich von ihren Ursprüngen völlig gelöst hat noch dass sie ausschließlich darauf beruht. Sie ist – genauso wie seine Spiritualität – verankert in einer authentischen Tradition, aus der er die Quintessenz zog und der er sein innovatives Siegel verlieh.

Nachdem er in Ruhestand gegangen war und sich in Teheran niedergelassen hatte, breitete sich in diesen letzten Jahren seines Lebens sein Ruf unter den Musikexperten nach und nach aus – Musikliebhaber und Künstler begannen seine Musik zu entdecken. Einer von ihnen, Musa Marufi, ein weithin bekannter Meister der persischen Musik, erzählt in einem langen Artikel von den starken Wirkungen, die diese Musik in ihm erzeugte – indes ohne den Namen von Ostad Elahi zu erwähnen.

Ich hörte [jemanden] spielen, der in der Kunst des Tanburspiels sehr versiert war. Ich war so überwältigt, dass ich das Gefühl hatte, nicht länger Teil dieser Welt zu sein. Am erstaunlichsten war, dass ich einige Stunden lang ganz berauscht und entrückt war und der materiellen Welt keine Beachtung mehr schenkte. Als ich schließlich wieder in meinen normalen Zustand zurückgekehrt war, fragte ich mich: Eigenartig, wenn das Musik ist, was ist dann das, was wir Tag für Tag im Radio hören?

Sein Zeugnis weckte die Neugier von Experten, Künstlern und renommierten Musikern, die aus dem Iran oder dem Westen kamen, um Ostad Elahi kennenzulernen und sein Spiel zu hören. So traf ihn etwa der große Geigenvirtuose Yehudi Menuhin in den 60er Jahren, was bei diesem einen tiefen Eindruck hinterließ, wie er in einem Interview 1995 sagte:

Dieser erstaunliche Musiker war in der Lage, eine Spannung und Konzentration aufrechtzuerhalten, die ich angesichts des limitierten Intervalls einer Quart oder Quint niemals für möglich hielt… Es erschien mir außerordentlich, dass man innerhalb eines solch engen Intervalls die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesseln könnte. Nie zuvor hatte ich etwas Ähnliches gehört; es ist der nachhaltigste Eindruck, den ich in dieser Hinsicht je hatte. Nie zuvor habe ich ein Musikstück gehört, dass sich für mindestens eine halbe Stunde lange innerhalb des Intervalls einer Quarte hielt! Es war eine sehr empfindsame, sehr machtvolle Musik, aber auch sehr präzise und rein. Ich konnte kaum glauben, was meine Ohren da vernahmen. Es war eine verdichtete Energie, wie eine Art Laserstrahl…

Der bekannte französische Choreograph Maurice Béjart reiste 1973 in den Iran, um dort einige Tanzaufführungen beim Kunstfestival in Shiraz auszurichten. Während seiner Reise nach Teheran machte er Bekanntschaft mit Ostad Elahi:

Ostad Elahi war ein außergewöhnlicher Musiker. Er spielte niemals in der Öffentlichkeit, machte niemals Aufnahmen und spielte nur für Familie und Freunde. Als er sich bereit erklärte, für mich zu spielen, da öffnete sich eine Tür in mir. Durch seine Musik habe ich alles verstanden… Ostad Elahi sprach kein Französisch und ich kein Persisch. Er spielte die Musik, aber ich kann nicht in Worte fassen, was ich erfahren oder empfunden habe. Ein großer Wandel ereignete sich dadurch in meinem Leben, meiner Existenz und meinem Denken.

Zahlreiche Musiker waren Zeugen der außerordentlichen Wirkung dieser Musik, insbesondere der Kombination aus unerreichter Technik und spiritueller Inspiration. Dr. Taqi Tafazzoli, ein Wissenschaftler und Direktor der iranischen Parlamentsbibliothek, gehörte zu Ostad Elahis Bewunderern und war oft bei ihm zu Besuch. Der folgende Ausschnitt ist eine Beschreibung eines der Treffen, dem er im Kreise der Familie und einiger enger Freunde von Ostad Elahi beiwohnte:

Ostad Elahi begann zu spielen… und im abgedämpften Licht des Raumes konnte man die Köpfe der Teilnehmer sehen, wie sie sich bewegten und wiederholt einige Refrains sangen. Diese Klänge und Bewegungen verstärkten die Intensität dieser Zusammenkunft und lösten bei den Teilnehmern einen Zustand von Begeisterung und großer Freude aus. Der Klang der Tanbur wurde voller und leidenschaftlicher, ein erstaunlicher Rhythmus erfasste den gesamten Raum. Im Halbdunkel konnte man erkennen, wie sich linienförmige Reihen bildeten, die sich voneinander weg und wieder aufeinander zu bewegten. Einige hoben die Hände und ließen sie im Rhythmus der Musik schwingen. Das war nicht mehr ein Zustand von Erregung, das war eine wilde See! Ein unglaubliches Fieber hatte von uns Besitz ergriffen… aber der Zustand von Ostad selbst war das eigentlich Bemerkenswerte. Im Zwielicht des Raums erstrahlte sein Gesicht in besonderem Glanz: Er glich einem Kapitän, der am Ruder eines Schiffs stand, das in einen Sturm gekommen war, und der alles tat, um es sicher in den Hafen zurückzubringen. Dann hörte die Musik auf. Einige Sekunden lang war niemand in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen – es herrschte absolute Stille. Die Atmosphäre im Raum war strahlend hell und von Spiritualität getränkt; es war ungewöhnlich und unbeschreiblich zugleich… Ein süßer Duft hing über der Versammlung.

Einige von Ostad Elahis Stücken sind so komplex, dass sie sich jeglicher Transkription widersetzen. Ruhollah Khaleqi, zu jener Zeit Direktor am Staatlichen Musikkonservatorium in Teheran, traf Ostad Elahi in den 50er Jahren einige Male. Nach diesen Treffen beschloss er, einige seiner Kompositionen auf der Tanbur niederzuschreiben, aber angesichts der Komplexität seines Spiels musste er dieses Vorhaben schnell wieder aufgeben. In seiner Geschichte der persischen Musik schreibt Khaleqi:

In den alten Zeiten gab es zwei Arten von Tanbur: Die Tanbur aus Chorassan und die Tanbur aus Bagdad. Diese Laute wies zwei Saiten auf und sie wurde üblicherweise mit einem Plektrum von den Fingern der rechten Hand gespielt; in Kurdistan wird das Instrument heute nach wie vor so gespielt. Auch in Teheran spielt einer der ehrenwerten Richter, der vermutlich wünscht, dass sein Name nicht genannt werde, auf meisterhafte Weise die Tanbur und gibt die alten Melodien der kurdischen Musik (die im Übrigen eine separate Erörterung verdiente) in absoluter Schönheit wieder. Die Namen dieser Melodien sind persisch, aber haben wenig mit der [persischen] Musik der Gegenwart gemein.